Myrrhe ist das Harz eines Baumes mit dem botanischen Namen „Commiphora molmol“. Die Arzneipflanze mit biblischer Tradition gehört zu den ältesten Heilmitteln der Menschheit und ist mit dem bekannteren Weihrauch verwandt. Das Myrrhenharz wird seit Jahrtausenden im Mittelmeerraum und in den letzten Jahrhunderten auch in Mitteleuropa wegen seiner vielfältigen Wirkungen geschätzt und eingesetzt.
Die meisten Menschen kennen die Myrrhe durch die Weihnachtsgeschichte. Dort im Stall von Bethlehem hatte sie einen ihrer bekanntesten Auftritte, als die Heiligen Drei Könige sie als Teil der Kostbarkeiten (Gold, Weihrauch und Myrrhe) Jesus zur Geburt überreichten. Was ist die Myrrhe, und warum war sie derart wertvoll, dass sie zur Gabe an das Jesuskind wurde?
Die Myrrhe ist eines der ältesten Arzneimittel der Menschheit, in der Historie findet man sie bei den Griechen, den Arabern, in der Bibel, auch in wichtigen medizinischen Werken wie der “Circa Instans”, der Physica (Hildegard von Bingen), den Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts. Heutzutage kommen vorzugsweise die Inhaltsstoffe des blassgelben Milchsaftes der Äste, "der zu rötlich-braunem Harz trocknet", in der Medizin zum Einsatz. Zu möglichen Heilwirkungen anderer Pflanzenteile wird weitreichend geforscht.
Steckbrief
Beschreibung:
1 bis 3 m hoher dorniger, stark verzweigter Baum mit gefiederten Blättern
Herkunft:
Somalia, Südarabien, Nordäthiopien
Inhaltsstoffe: *
Harzsäuren, ätherisches Öl, alkohollösliche Harzfraktion (Diterpen- und Triterpensäuren) und wasserlöslicher Gummianteil
* für die Wirkung wesentliche Inhaltsstoffe
Verwendete Pflanzenteile:
luftgetrocknetes Harz = Myrrhe
Eigenschaften:
adstringierend, entzündungshemmend,
schmerzstillend, wundheilungsfördernd,
wirkt gegen Pilze, darmbarrierestabilisierend
Anwendungsgebiete:
Magen-Darm-Erkrankungen, Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut und des Zahnfleisches, Mundsoor
Anwendungsformen:
als Tinktur, Pinselung oder Bestandteil von Mundspüllösungen, Tabletten (Dragees)
Herkunft und Botanik
Schon im Altertum war die Myrrhe ein kostbares Gut. Sie wurde zur Einbalsamierung sowie als Salböl verwendet und war zur Behandlung unterschiedlicher Krankheitsbilder bereits in der Heilkunde im antiken Ägypten und im alten Griechenland bekannt. In der Medizin des Mittelalters finden sich erste Hinweise auf die Anwendung bei entzündlichen Darmerkrankungen.
Die ursprüngliche Heimat des Myrrhenbaums bzw. -strauchs ist das afrikanische Somalia. Man findet den Baum weiterhin in den Trockengebieten im nordöstlichen Kenia, im nördlichen und östlichen Äthiopien, in Dschibuti sowie dem Jemen und dem Sudan wie auch auf der arabischen Halbinsel. Von dort importierten auch die alten Ägypter die Myrrhe zur Heilbehandlung. Wie zu biblischen Zeiten wird auch heute noch ein Großteil der Myrrhe von Nomad*innen für den Export, insbesondere nach Europa, wie folgt gesammelt: Aus der Rinde tritt spontan Milchsaft aus, der auf der Rindenoberfläche bald zu unregelmäßigen, hellgelben bis rotbraunen Gummiharz-Klümpchen eintrocknet und eingesammelt wird. Dieses so genannte Gummiharz ist eine Mischung aus Harz und ätherischen Ölen.
Die Myrrhe ist ein kleiner, Laub abwerfender, stark verzweigter Baum bzw. Strauch mit spitzen Dornen und gehört zur Familie der Balsambaumgewächse (Burseraceae). Er wird nur ca. 3 m hoch und ist bestens an das trockene Buschland seiner Heimat angepasst. Seine kleinen, oft gedrehten und gefiederten Blätter erscheinen kurz vor Beginn der Regenzeit zusammen mit den hängenden Blütenrispen, an denen die kleinen, gelblichen Blüten wachsen. Nach dem Abblühen entwickeln sich daraus kleine rote Beeren, die bitter schmecken. Die glatte, dünne Rinde ist rissig und blättert in kleinen Fetzen ab.
Die Myrrhe bevorzugt karge Sandböden oder felsiges Gelände, was ihr Vorkommen in dem trockenen Klima des afrikanischen Raums und rund um das Rote Meer erklärt.
Myrrhenbaum: Arzneipflanze des Jahres 2021 in Deutschland
Aufgrund seiner großen Bedeutung in der Kultur- und Medizingeschichte, der Forschung in der jüngeren Vergangenheit und dem Potenzial für die medizinische Nutzung wählte der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde den Myrrhenbaum zur Arzneipflanze des Jahres 2021 in Deutschland.
Inhaltsstoffe und Heilwirkung
Zu den wichtigsten Inhaltsstoffen der Myrrhe gehört ätherisches Öl mit verschiedenen Terpenen, Bitterstoffen und Zuckerverbindungen (Arabinose, Galaktose). Diese ließen sie in Afrika, im Mittleren Osten und in Indien seit langem zu einem bewährten Heilmittel werden, das vor allem gegen Entzündungen, Schmerzen und Infektionen aller Art eingesetzt wird. Die entzündungshemmende, adstringierende (zusammenziehende) und wundheilende Wirkung machte das aromatisch riechende Myrrhenharz schon im Altertum so wertvoll.
Der wasserlösliche Gummianteil macht etwa zwei Drittel der Harzklumpen aus. Zu 3 bis 6 % besteht es aus ätherischem Öl, das für den süßlich-würzigen Duft des Harzes verantwortlich ist. Im Mund schmeckt es aufgrund der enthaltenen Bitterstoffe sehr bitter. Dennoch ist es als Mittel speziell in Mundspülungen mit desinfizierender, zusammenziehender Wirkung im Einsatz, um leichte Entzündungen des Zahnfleisches oder der Mund- und Rachenschleimhaut zu behandeln. Die vorgenannten sowie die zusätzlich schmerzstillenden, darmbarrierestabilisierenden und wundheilungfördernden Eigenschaften von Myrrhe konnten wissenschaftlich belegt werden.
Aufgrund ihrer Wirkung galt Myrrhe stets auch als Mittel gegen Entzündungen und Beschwerden des Verdauungstraktes und wird in der Phytotherapie (Anwendung von Heilkräutern und pflanzlichen Arzneimitteln) auch heute bei entsprechenden entzündlichen Erkrankungen eingesetzt.
Während die Forschung der letzten Jahre vor allem ihre entzündungshemmenden Eigenschaften hervorhob, werden neben dem Harz andere Bestandteile der Myrrhe weiter erforscht. Die Myrrhe ist von großem wissenschaftlichem Interesse und bietet noch viel Potenzial für zukünftige Forschungen.
Verwendung in der Medizin
Die Anwendung der Myrrhe ist vielfältig und ihre antientzündlichen, darmbarrierestabilisierenden und wundheilungsfördernden Eigenschaften werden weitreichend genutzt.
Innerliche Anwendung
Zudem wirkt Myrrhe wie erwähnt adstringierend. Das heißt, dass sich bei der Anwendung die äußeren Schichten der Schleimhaut zusammenziehen. Daher hat sich die Heilpflanze auch zur Linderung von Entzündungen der Haut sowie der Schleimhäute im Mund- und Rachenbereich bewährt. Durch Gurgeln und Einpinseln mit Myrrhe kann man solche Entzündungen schneller wieder in den Griff bekommen, da die heilenden Inhaltsstoffe so direkt an der betroffenen Stelle wirken.
Bei innerlicher Anwendung wirkt Myrrhe krampflösend, entzündungshemmend sowie darmbarrieresstabilisierend und wird daher in der modernen Phytotherapie (Anwendung von Heilkräutern und pflanzlichen Arzneimitteln) bei Darmerkrankungen bzw. Beschwerden aufgrund entzündlicher Prozess des Verdauungstrakts eingesetzt, wie z. B. Magen-Darm-Störungen mit unspezifischem Durchfall, begleitet von leichten Krämpfen und Blähungen.
Eine besondere Bedeutung hat die Heilpflanze bei der remissionserhaltenden Behandlung der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Ein Gemisch aus Kamille, Kaffeekohle und Myrrhe soll dazu beitragen, Linderung zu verschaffen und im besten Fall das Auftreten eines erneuten Krankheitsschubs zu verhindern.
Äußerliche Anwendung
Äußerlich wird Myrrhe lokal zur Desinfektion kleiner Wunden und Abschürfungen verwendet. Sie wirkt blutstillend und fördert die Narbenbildung.
Quellen
- Amler J. Behandlung von Darmmykosen mit Myrrhe, Kaffeekohle und Kamille. Naturheilpraxis (2000)
- Blaschek W. et al. Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, 5. Aufl. Springer: Berlin, Germany (2013)
- Batiha G.E. et al. Commiphora myrrh: A phytochemical and pharmacological update. Naunyn-Schmiedeberg's archives of pharmacology 396.3 (2023)
- Bundesgesundheitsamt - Aufbereitungsmonographie Myrrha, Myrrhe. Bundesanzeiger (1987)
- Bundesgesundheitsamt - Aufbereitungsmonographie Coffeae carbo, Kaffeekohle. Bundesanzeiger (1988)
- Bundesgesundheitsamt - Aufbereitungsmonographie Matricaria flos, Kamillenblüten. Bundesanzeiger (1990)
- ESCOP Monographs, Second Edition – Myrrha / Myrrh (2014)
- ESCOP Monographs, Second Edition (2003)
- Vissiennon C. et al. Chamomile Flower, Myrrh, and Coffee Charcoal, Components of a Traditional Herbal Medicinal Product, Diminish Proinflammatory Activation in HumanMacrophages. Planta Med. (2017)
- Weber L. et al. Bioactive Plant Compounds in Coffee Charcoal (Coffeae carbo) Extract Inhibit Cytokine Release from Activated Human THP-1 Macrophages Molecules (2019)
- Weber L. et al. Anti-inflammatory and barrier-stabilising effects of myrrh, coffee charcoal and chamomile flower extract in a co-culture cell model of the intestinal mucosa. Biomolecules 10.7 (2020)